12. Diplomarbeit "Predigerseminar in Berlin-Mitte -
      Das Domkandidatenstift von F.A. Stüler"
 
 

Anmerkungen zur gegenwärtigen Rekonstruktionstendenz

Drei Jahre vor dem „Europäischen Denkmalschutzjahr“ 1975 abgerissen, wäre das Schicksal der in den Grundzügen noch gut erhaltenen Ruine des Domkandidatenstifts heute wohl undenkbar.
Wenn es auch durchaus andere Beispiele zu nennen gäbe, scheint es gelegentlich, als würde jedes noch so geringe Bruchstück der Vergangenheit heute an die Oberfläche geholt, neu geschichtet und konserviert zu werden.
Auch die Absenz solcher Zeugnisse ist dabei mitunter von geringer Bedeutung, wenn nur der entstehende Eindruck gefällt.
Ganz im Gegensatz dazu stehen die klassischen Vorstellungen der Denkmalpflege im Sinne Georg Dehios, der jeden Gedanken an Wiederherstellung nicht mehr vorhandener Teile  abweist und allein die Erhaltung des Bestehenden fordert.
Die Internationale Charta über die Erhaltung und Restaurierung von Denkmälern und Denkmalgebieten (Venedig 1964) besagt hierzu in Artikel 15:
„Jede Rekonstruktion ist von vornherein auszuschließen. Allein die Anastylose, d.h. der Wiederaufbau vorhandener, aber aus dem Zusammenhang gelöster Teile, kann in Betracht gezogen werden. Dabei müssen die für eine Integrierung erforderlichen Elemente stets erkennbar bleiben; sie sind auf das Minimum zu beschränken, das zur Konservierung des Bauwerks und für den Zusammenhang seiner Formen nötig ist.“
In der Praxis finden sich aber, begleitet von wohl immer bestehender Kritik an „moderner“ Architektur und in der Hoffnung, im Kopieren historischer Formen Verbesserung zu erlangen, zahlreiche Beispiele, in der eine andere Meinung zum Ausdruck kommt.
So könnte es auch als Form der Wiedergutmachung an der Geschichte verstanden werden,  wenn in unserer heutigen Demokratie vergangene Schlösser und Kirchen wieder neu erstehen, um als Simulation gebauter Vergangenheit zwar nicht den Charme und die Patina ihrer wahren Vergänglichkeit wiederherzustellen , aber zumindest den Eindruck historischer Verbundenheit und Kontinuität zu vermitteln. Ob der Mangel an Authentizität dabei verwerflich ist, sei hier dahin gestellt.
Entschuldigend liest sich am im Aufbau befindlichen Fortunaportal in Potsdam, dem ersten Grundstein zur Rekonstruktion des dortigen Stadtschlosses: „Der hilflose Versuch, allein Preußen für das Unglück in der Geschichte verantwortlich zu machen sowie Egoismen der Gegenwart führten zur unsinnigen Zerstörung von Glanzpunkten der Baukunst – und in Konsequenz der ganzen Stadtmitte. Dabei ist die Rekonstruktion von Baudenkmälern seit der Antike immer wieder praktiziert worden, weil die Menschen sich den Verlust an Identität, Geschichte und Kultur nicht leisten wollten.“
So wie die Gedächtniskirche Eiermanns dem Puls der Nachkriegszeit zu entsprechen scheint, ebenso wie die veränderte Innenraumgestaltung der Stülerschen Kirchen,  wirkt auch der heutige Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche 56 Jahre nach ihrer Zerstörung (als deren Mahnmal die Ruine bis dato galt) als gleichermaßen selbstverständlich.
Streitbar bleiben Wiederaufbaupläne, wie im Zentrum Berlins und anderenorts,  vermutlich immer.


Wiederaufbau des Fortunaportals Potsdam


Fassadenattrappe vor dem Wiederaufbau der Kommandantur


Rekonstruierte Ecke der Bauakademie,
noch ohne Brüstungsfelder

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