5. Seminar "Blindenbibliothek" (WS 97/98)

(Prof. Dr.-Ing. Schmidt-Thomsen / Betreuung A. Williams)

PROBEENTWURF FÜR BERLIN-HIRSCHGARTEN 
GRUNDRISS EG

ENTWURFSERLÄUTERUNG

Der gegebene Ort an der Elisabethkirche in Berlin-Mitte stellt durch die ihn in unterschiedlichen Winkeln zueinander umgebenden Strassenfluchten (Invaliden-, Acker- und Elisabethkirchstrasse) und die daraus resultierende Grundstücksform zunächst eine besondere Problematik dar. So wirkt er eher als Restfläche auf einer Verkehrsinsel denn als nahezu allseitig erschliessbares Grundstück in exponierter Lage. Auch der bestehende Plattenschulbau wirkt in diesem Sinn leicht verloren und unschlüssig ob der räumlichen Situation.
Generell sind die äusseren Geländekanten damit nicht der ideale Rahmen für ein speziell Blinden dienliches Gebäude, da sich der Ort a priori dem Ordnungsprinzip der 90-Grad-Winkel widersetzt.
Eine (allenfalls historisch begründbare) Blockrandbebauung schloss sich daher letztendlich aus.
Der vorliegende Entwurf erstreckt sich, in drei Hauptbaukörper gegliedert, über die gesamte Tiefe des Grundstücks in Nord-Süd-Richtung. Als einziger hiervon befindet sich das monolithisch anmutende Magazin der Bibliothek an der vielbefahrenen Invalidenstrasse.
Östlich lehnt der achtgeschossige Bau an den derzeit kargen Brandwänden der Gebäude der Elisabethkirchgemeinde. Die Fassade ist mit Schieferplatten (40x40 cm) verkleidet und an der Längsseite lediglich von schmalen, horizontal verlaufenden Lichtschlitzen durchbrochen, die dem beschränkten Lichtbedarf des Magazins gerecht werden. In der Ansicht ist die Assoziation mit einem Bücherregal impliziert.
Über die gesamte Länge dieses Buchrückens sich entlangtastend oder ihn frei abschreitend gelangt der Besucher durch eine drei Meter schmale Engstelle zwischen Magazin und Foyerbereich zum auch akustisch wahrnehmbaren Haupteingang zur Linken oder gelangt an die Brüstung einer Treppe, die von hier, an der Schmalseite des Magazins entlang, in die ein Geschoss tiefer liegende und zur Elisabethkirchstrasse hin ansteigende Grünzone führt. Diese ist von den roten Ziegel-Brandwänden im Osten und dem gegenüberliegenden Bibliotheksriegel in ähnlichem Ton gefasst.
Vom Eingang der Bibliothek führt der Weg an der Information und bei Bedarf der Garderobe vorbei über Treppe oder Fahrstuhl entlang an Cafe und Veranstaltungsraum im ersten Obergeschoss in die Freihandbibliothek der beiden oberen Ebenen.
Einzige Nahtstelle zwischen versorgendem Magazin und Freihandbibliothek ist die Leihstelle in Form einer verbindenen Brücke über eingangs beschriebenes Nadelöhr. Die Verwendung von Schiefer auch für den hier befindlichen Tresen hat für den Nichtsehenden als Wiedererkennungmerkmal besonderen Wert.
Ebenso dienen unterschiedliche Bodenbeläge (Parkett für die Mittelwege, ruhigerer Belag in den Arbeitszonen) der leichteren Weg-Findung.
Im übrigen ist der Grundriss durch seine axiale Längsausrichtung bemüht, eine verständliche und möglichst einfache Orientierung zu geben, ohne vom eigentlichen Nutzungszweck abzulenken.
Vom Weg des Besuchers unberührt erfolgt die Erschliessung sowie Belieferung der Verwaltungs- und Werkstattbereiche über einen weiteren Zugang an der Elisabethkirchstrasse.
Das Untergeschoss ist durch den abgesenkten Garten und einen weiteren Vorhof an der Westseite natürlich belichtet.
Die dem dreieckigen Pappelplatz gegenüberliegende Freifläche vor der Bibliothek kann, mit unterschiedlich gestaffeltem Bodenbelag (Sand, Schotter, Kies, Kopfsteinpflaster, etc.) gestaltet und auch vom nicht sinnesgeschärften Sehenden akustisch und haptisch differenzierbar, als Ort der Einladung und Begegnung verstanden werden.

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